Ich kann mich noch an eine Zeit erinnern, in der es fast schon Hohn heraufbeschwor seinen Folk-CDs ein gutes Booklet beizulegen. Heute ist es fast umgekehrt, und dieses ‚Merkmal‘ kann fast als Kriterium zur Unterscheidung in gut und schlecht herangezogen werden.
Zu den extremen Auswüchsen dieser Entwicklung zählt, im besten Sinne, die mir vorliegende CD von Dr. Olavo Alén Rodríguez. Rodríguez ist leiter des 1978 gegründeten „centre for the Investigation and Development of Cuban Music“, kurz CIDMUC, mit Sitz in Habana. 1992 wurde dieses Buch von Rodríguez erstmals veröffentlicht, und zwar in Spanisch bei Cubanacán in Puerto Rico. Damals lagen dem Buch zwei Audio-Kassetten bei. Nachdem die Stimmen derer immer zahlreicher wurden die ein Ende der Blockade Kubas forderten, erschien „From Afrocuban Music to Salsa“ endlich auch in Finnland, England und sogar in Japan.
Ähnlich der Cuba-Box aus dem Hause Blue Jackel werden auch hier erst einmal die geschichtlichen Pfade aufgezeigt, die ihre Spuren im Land hinterlassen haben. Während des Lesens wird schnell deutlich, das nicht von einer Entwicklung „der afrokubanischen Musik hin zum Salsa“ die Rede sein kann, da sich alles immer noch in Bewegung befindet. Es ist beispielsweise zu einfach die Wurzeln bei den Spaniern zu sehen, die 1498 Kuba entdeckten, und als zweite große ethnische Gruppe die aus Westafrika stammenden Sklaven (Yorubas) zu nennen. Schon allein von Eroberern und späteren Siedlern als „die Spanier“ zu sprechen wird der Geschichte nicht gerecht, da Spanien selbst über Jahrhunderte unter arabischen Einfluss stand. Somit sind von Anfang an die unterschiedlichsten kulturellen Verbindungen zu knüpfen.
„With our music we Cubans have exported more dreams and pleasures than with our tobacco, more sweetness and energy than with all our sugar.
Afrocuban music is fire, flavour, and smoke;
it is syrup, charm & relief. It is like a sonorous rum, witch brings people together and makes them treat each other as equal.
It brings the senses of dynamic life.“(La africanía en la música folklórica de Cuba)
Rodríguez hält sich allerdings nicht allzu lange mit der Geschichtsbetrachtung auf, sondern kommt sehr bald zur Musik. Zwar ist diese ohne den Blick auf die ethnischen Besonderheiten bezüglich Herkunft oder Religion kaum zu beschreiben, aber im Mittelpunkt stehen Instrumente, Riten und Rhythmen.
Letztere werden schließlich ausführlich angesprochen, wenn es um die mehr denn je lebendigen Stilrichtungen auf Kuba geht. Zu nennen sind hier an erster Stelle der Son, dann der Rumba, Canción Cubana, der Danzón und der Punto Guajiro, denen je ein eigenes Kapitel gewidmet ist.
Im gesamten Buch sind die Hinweise auf die Beispiel-CD verteilt . Allen anderen Zusammenstellungen hat dieses kleine Sachbuch in CD-Format eine umfangreiche Discographie voraus, in der reichlich Forschungsmaterial zu finden ist.