Kann es eigentlich sein, das China im Moment da ist, wo Amerika sich einmal befand? Zumindest in den Augen jener, die sich ohne Vorbehalte aus Europa in das Reich der Mitte begeben, um dort ihr Glück zu suchen? Auf jeden Fall kann man sich, gleich welcher politischen Richtung angehörend und welchen Grad der Kritik übend, dem Land nicht entziehen. Schon allein, weil fast alle unsere Güter mittlerweile aus dem Reich der Mitte zu kommen scheinen. Mein Verstärker, das Handy und sogar die ersten Textilien tragen das „Made in China“ Label. Bei mir waren es die ersten Eastern, die mein Interesse an das Reich weckten. An dessen Kultur, gleich wie verklärt sie dargestellt sein mag. Schon allein die oft an Masse gebundenen Darstellungen vergangener Zeiten schinden Eindruck. Von der immensen Lernfähigkeit in der modernen Bildsprache einmal ganz abgesehen, etwa wenn wir „HEROES“ betrachtend. Musikalisch war es OLIVER SHANTI, der mit seinen Veröffentlichungen unter dem Titel „Thai Chi“ mich mächtig neugierig werden ließ. Das die Hörer es ähnlich sahen, belegt die Auflage der 2. Ausgabe. Sei Shantis Entwicklung im Übrigen wie sie ist, so muss im Bezug zumindest auf diese beiden Alben gesagt werden, das hunderte Musiker daran beteiligt waren. Musiker, die es nicht verdient haben, das ihre Arbeit mit einem Stempel versehen in die Versenkung geschickt wird. Musik der Tuvas, die Klänge der Hirten aus der Mongolei, brachten die nächste Annäherung an diese mitunter mystischen Klänge. Und nun DA WANG GANG. Mit seinem Album „Huang Qiang Zou Ban (Wild Tune Stray Rhythm) schlägt er alles bisher gekannte. Er kommt wild, bricht mit gewohntem, und scheint auch für chinesische Ohren mächtig wild zu wirken. Und so ist es nicht verwunderlich, wenn die Einordnung schwer fällt. Mindestens ist es modern. Sicher, mal hören wir etwas, was wir als Folk bezeichnen können, es aber nicht wirklich wissen. Dann wieder macht DA WANG GANG Ausflüge in den Jazz, in den Free-Jazz, um schließlich völlig ins Experimentelle abzugleiten. Genauso schnell reißt er uns da auch wieder raus, und sitzt mit uns im nächsten Dorfhain. Spielt auf wunderbare Art die Mandoline, die uns zu den frühen Aufnahmen der OUGENWEIDEs oder WITTHÜSER UND WESTRUPPs „Tripps und Träume“ führt. Diese Wechselbäder sind fantastisch. Mit Abstand eines der interessantesten und spannendsten Alben, das man sich ins Haus holen kann.