– vom 10.11. im Forum Bielefeld
Schon seit Monaten lege ich in meiner Sendung immer mal wieder Dotas Album „Wo soll ich suchen“ auf. Da war es nur konsequent, den Tourtermin am 10.11. in Bielefeld für ein Interview zu nutzen. Gefragt und bejaht: So soll es sein.
Nach Ankunft heißt es warten. Anders als geplant verlängerte sich der Soundcheck, was mir Raum für einen Rundgang und Gespräche mit den Mitarbeitern gibt. Über 60 motivierte Ehrenamtliche halten das Forum am laufen, und zwar gut. Im nächsten Jahr feiert es seinen 40. und wirkt dabei wie 20. Und ich denke einen Moment so etwas wie „die Letzten ihrer Art“, da mir einige auf der Strecke gebliebenen Locations einfallen. Zu Fall gebracht, nicht vom wirtschaftlichen Niedergang, sondern rechthaberischen Nachbarn, die meist neu zugezogen waren.
Bevor ich mich weiter in solchen Gedanken verlieren kann, sehe ich Dota die Treppe zum Cateringraum nehmen. Jemand macht Sie auf mich aufmerksam, wir begrüßen uns und verschwinden in den Speiseraum.
Mir gegenüber sitzt eine junge, wache Frau, die ihren Radar voll aufgedreht hat.Immer auf der Suche, mit einem manchmal verschreckt wirkenden Blick, um im nächsten Moment bestimmt das Gespräch zu übernehmen. Neben ihrem Typus ist das wohl auch der Tatsache geschuldet, dass Dota mit Kind und Kegel auf Tour ist. Und ihr jüngster Nachwucht zählt gerade Mal sechs Monate.
Zur Eröffnung des Gesprächs will ich etwas über die „wahre Identität“ von Dota hören.
Dota: „Das ist schon mein Namen. Beziehungsweise mein Spitzname. O.k., ich heiße eigentlich Dorothea, aber so nennt mich wirklich niemand.
WK: Du bist aber doch eigentlich bekannter unter einem Pseudonym…
Dota: Du meinst die Kleingeldprinzessin?
WK: Genau.
Dota: Ja, das ist lustig. Weil, ich habe mir den Namen ganz zu Anfang ausgedacht, also während den Auftritten als Straßenmusikerin. Aber schon seit dem 2.Album, also um 2004 herum, steht der Name gar nicht mehr auf den Alben. Sondern immer nur „Dota und die Stadtpiraten“ oder auch nur „Dota“. Aber Kleingeldprinzessin hat sich trotzdem beharrlich gehalten. Vielleicht weil man sich das so gut merken kann.
Naja, und ich benutze natürlich auch die Internetseite weiter und habe das Label so benannt. Kleingeldprinzessin-Records.
WK: Ganz interessant finde ich Geschichten rund um deinen Werdegang. Es war ja doch bisher ein recht vielschichtiges Leben.
Dota: Ja, ich hab das sehr selbstbestimmt aufgezogen. Seit zehn Jahren mache ich jetzt Musik mit meinen eigenen Stücken. Und seit neun Jahren lebe ich davon tatsächlich. Ich habe keine Agentur, kein Management, keine Plattenfirma, bin halt völlig unabhängig.
Zusammen mit unserem Gitarristen Jan Rohrbach. Jan macht beispielsweise das komplette Booking. Die meisten Entscheidungen werden von uns beiden getroffen. Trotzdem sind wir dabei ungebunden.
WK: Du hast ja eine recht gutbürgerliche Laufbahn, die du hättest haben können, in den Ofen geschoben. Richtig?
Dota: Also ich habe Medizin studiert, auch fertig studiert. Aber, hey, mein Herz hängt so am Musik machen. Das läuft so gut und macht mir so viel Spaß. Es gibt gerade keine Notwenigkeit als Ärztin zu arbeiten.
WK: Aber du bist ja gleich in das andere Extrem gesprungen, wenn ich das richtig sehe. Raus aus dem relativ vorgeformten Leben, um dann Musik auf der Straße zu spielen.
Dota: Ja!
WK: Wie lange ging das?
Dota: Das habe ich gar nicht lange gemacht. Vielleicht zwei oder drei Sommer habe ich so richtig Straßenmusik gemacht. Also 2001, 2 und 3. Dann habe ich allerdings schon angefangen relativ viel auf Bühnen zu spielen, was sehr viel mehr Spaß macht als auf der Straße.
Man kann halt auch mal leise Lieder spielen. Das kann man auf der Straße gar nicht, weil das Hintergrundgeräusch zu laut ist. Zudem kommt dann ja auch das Publikum extra zum Konzert, und will sich das gezielt anhören. Und es klappt. (Lächelt)
WK: Aber die Straße ist ja trotzdem noch eine andere Herausforderung.
Dota: Ja. Die Herausforderung ist, Leuten die gerade eigentlich keine Lust haben etwas zu hören, so gut vorzuspielen, dass sie dann auf einmal doch Lust haben.
WK: War es denn von Anfang an klar, nachdem du von der Straßenmusik weg gingst, mit wem du zusammen arbeiten wirst? Oder musste sich das erst noch ergeben. Denn ich hatte dich Anfangs vor allem als Solokünstlerin in Erinnerung. Live wie auch auf Platte.
Dota: Hab ich auch. Also ich bin mit dem Jan Rohrbach seit 2003 unterwegs, also von Anfang an. Ich spiele auch manchmal Solo. Die Stücke schreibe ja alle ich, und die funktionieren eben auch immer auf Gesang und Gitarre. Bis auf ein paar Ausnahmen, die von der Band benötigt werden.
Insgesamt habe ich drei Alben ohne die Musiker hier aufgenommen.
Dazu gehört ein Solo-Live-Album, so wie zwei CDs die ich in Brasilien mit brasilianischen Künstlern aufgenommen habe. Das war im übrigen eine sehr spannende Zusammenarbeit. Zum einen hat es mir sehr viel Spaß gemacht, und zum anderen habe ich sehr viel dabei gelernt.
2003 war das, in Fortaleza/Brasilien. Da habe ich einen Komponisten kennengelernt, der ganz tolle Lieder geschrieben hatte, aber nie etwas veröffentlichte. Darunter waren auch Lieder extra für Sängerinnen. Ihm gefiel wie ich diese Lieder gesungen habe, worauf wir gemeinsam dann das Arrangement erarbeiteten. Auf dem Album selbst sind Stücke von ihm, die ich für ihn und die Band arrangiert habe. Und wiederum Stücke von mir, die er arrangiert hat. Das war wirklich eine super Zusammenarbeit. 2008 bin ich dann noch mal nach Brasilien, um mit in Teilen gleicher Bandbesetzung weiter Aufnahmen für ein neues Album zu machen.
WK: Ich fand vorhin interessant, als ich an eurem Merchandisingstand vorbei ging, wie viele verschiedene CDs da lagen.
Dota: Das neue Album ist das 11. Album.
WK: Das ist ganz schön viel. Du sagtest ja gerade, du machst das Meiste selber. Worüber lief denn dann bisher der Vertrieb? Wie hast du das alles gemacht?
Dota: Also einen Vertrieb haben wir. Aber das heißt ja nichts anderes, als dass die mir die CDs abkaufen und an die Läden weitergeben. Von daher nehmen sie einem organisatorisch nicht so viel ab.
WK: Ja, aber ab und zu auch noch mal im Produktkatalog erscheinen ist doch auch nicht ganz uninteressant.
Dota: Jaaa (zögert). Also klar, sie geben es an die Händler weiter. Ich habe ja auch noch einen Versandhandel über meine Website. Das mach ich jetzt nicht selber, aber ein kleiner CD-Laden bei mir in der Nähe.
WK: Wie verteilt sich das dann? Worüber laufen die meisten Verkäufe?
Dota: Inzwischen eigentlich am Meisten über den Vertrieb. Und halt viel Live, was auch ganz wichtig ist.
WK: Wie hat sich das überhaupt für dich entwickelt, wenn du jetzt mal auf deine Anfänge im Musikgeschäft zurück blickst?
Dota: Tja, also es ist natürlich so: man kennt ja den Lauf der Dinge, dass es weniger physische Tonträger gibt. Und, (zögert) das ist schon ein wenig ein Problem. Ich kann nicht in das große Lamento einstimmen, es würden keine Platten mehr verkauft. Mein Einstieg lag ja schon in der Zeit des großen Niederganges, wenn man so will. Wo es also schon CD-Brenner, Download-Portale und Tauschbörsen gab.
Trotzdem kann ich davon leben, und trotzdem haben sich die Alben auch alle refinanziert. Es ist ja nicht gerade wenig Geld, was ich für eine neues Album ausgebe. Alle Alben sind komplett professionell produziert, mit Tonstudio, Techniker und guten Musikern. Die ich auch, ganz wichtig, alle gut bezahlen will. So kommen dann mehrere zehntausend Euro zusammen, die erst einmal wieder rein kommen müssen.
Zum Glück kaufen die Leute aber auch noch Alben.
Aber wie die Entwicklung sein wird, wo die Reise hingeht, frage ich mich inzwischen auch. Ist auch wirklich ein Generationen-Ding, glaube ich. Also, so heutige Teenager, die haben schon gar keine Abspielmöglichkeit mehr, teilweise. Und wer uns alle im Sack hat sind natürlich die Gerätehersteller. Wenn, wie bei Apple beispielsweise, die neuen Produkte keine CD-Laufwerke mehr haben, sieht es ganz schlecht aus.
Das ist für die Musiker eine schwierige Entwicklung. So schön es ist, dass es auch sogenannte Payed-Downloads oder Streamingdienste gibt. Die vielleicht theoretisch auch etwas für die gestreamten Lieder zahlen. Es ist doch etwas, was sehr weit weg vom Künstler stattfindet. Es geht jegliche Kontrolle darüber verloren. Für mich als kleines Künstlerlabel, das nicht die Kapazitäten hat irgendetwas nachzuprüfen (geschweige denn zu wollen), ist es müßig festzustellen ob denn nun in irgendeinem Entertainment-Center ein Titel von mir geladen und korrekt abgerechnet wurde.
Während, beim physischen Tonträger, da weiß ich es sind viertausend hergestellt, und erwarte nun auch deren Verkauf.
Alles in allem also schon so ein bisschen unbehaglich.
WK: Von der Tendenz her hat es so ein wenig was davon, nur noch von der Gage zu leben. In den US-Klubs eben oft auf den Eintritt beschränkt. Lediglich ergänzt um das eigene Merchandising.
Dota: In den USA, hab ich mir vor kurzem erzählen lassen, ist der digitale Anteil mittlerweile auf um die 80% angewachsen. Während in Deutschland noch wesentlich mehr physische Tonträger verkauft werden. Zum Glück erlebt das Vinyl ja jetzt eine gewisse Renaissance, und ich bin eben froh über den CD-Verkauf. Da findet es für mich direkt statt.
Ich hab auch selber recht altmodische Hörgewohnheiten, höre also sehr gerne CD und habe dabei ein Booklet in der Hand oder stehe vorm CD-Regal und überlege was ich als nächstes einlege. Ist einfach meine Gewohnheit. Ich klicke mich nicht gerne durch irgendwelche Computerdateien.
Was aber auch mein Problem mit den Streamingdiensten und Downloads ist: Da wird schon irgendwie Geld umgesetzt und bezahlt, es landet dann aber irgendwo. Beispielsweise bei solchen Flatrate-Modellen. Da zahlt man dann eine bestimmte Betrag an seine Telefongesellschaft, für die geladene Musik. Es ist also ein Geld gezahlt worden, das theoretisch an den Künstler geht. Aber wie wird das dann gezahlt? Was ist mit den Monaten, wo jemand zahlt aber nicht lädt? Wie wird dann verteilt?
Und schließlich ist es erfahrungsgemäß so, das, wenn irgendwo ein Topf Geld steht, sich irgendjemand findet, der sich darauf spezialisiert den anzubohren.
Ich will als Künstler in erster Linie Musik machen, und mich nicht um so viel administrativen Quatsch kümmern. Dann ist es mir fast lieber die Leute laden sich meine Songs illegal, kommen aber dann auf die Konzerte oder kaufen die Musik später. Ich glaube das die Vorstellung, dass Musik etwas Wert ist und man dafür also etwas an den Künstler bezahlt, schon noch da ist. Zumindest ist das mein guter Glaube.
Wenn man jetzt aber bezahlt hat, und dann landet das Geld bei irgendeiner Telefongesellschaft oder iTunes, ärgert mich das maßlos. Dann ist mir lieber (lacht verschmitzt) wenn keiner etwas daran verdient.
WK: Auf den Vinylzug aufzuspringen ist nicht euer Ding?
Dota: Wir haben das neue Album auch auf Vinyl. Klar, warum nicht. Ich find‘ das schön, so eine Platte in der Hand zu haben.
WK: Woher stammt dein musikalischer Background? Denn du hast ja auch eine besondere Art mit der Deutschen Sprache umzugehen.
Dota: Der Einfluss brasilianischer Musik ist für mich schon sehr prägend gewesen, gerade am Anfang. Hab ich einfach sehr, sehr viel gehört, hab auch meine großen Vorbilder in der brasilianischen Musik. Sehr viel von dem was man selber gerne hört, was einen musikalisch berührt, findet natürlich auch Eingang in die eigene Arbeiten.
Radiohead höre ich sehr viel und gerne, Calexico. Ja, und dann eben Chico Cesar, Chico Buarque. Ich höre eigentlich selber wenig deutschsprachige Musik. Vor allem, weil ich immer ganz stark auf Texte hören muss. Ich kann da nicht weg hören. Und wenn mich daran was stört, kann ich es auch nicht aushalten. Außerdem habe ich ein sehr gutes Gedächtnis, und habe dann ständig irgendwelche fremden Zeilen in meinem Kopf…und irgendwie macht mich das ganz wuschig.
Es gibt einen Klavierkabarettisten, von dem ich wirklich sehr Fan bin. Sebastian Krämer. Den finde ich wirklich ganz ganz toll. Er schreibt wirklich einfallsreiche Texte. Wenn man selber textet, kann man wirklich nur neidisch werden ob der Produktivität von Sebastian.
Ja, und dann gibt es noch eine Freundin von mir deren Lieder ich sehr schätze: Uta Köbernick. In manchen Sachen sind wir uns vielleicht auch sehr ähnlich, in manchen überrascht mich das sehr was sie macht.
WK: Weshalb ich vorhin noch nach Vinyl fragte: In den nächsten Tagen bin ich auf einem Konzert von Katja Werker, die mit ihren Arbeiten ja mittlerweile bei einem audiophilem Label gelandet ist. Stockfisch Records. Beim Hören eurer Aufnahmen ging mir durch den Kopf, ob das nicht auch einmal eine Option für euch wäre.
Dota: Vielleicht schon. Wir haben drei Alben analog aufgenommen, also auf Bandmaschine. Von den Studiomöglichkeiten hatten wir zwischenzeitlich die Wahl, alles analog zu lassen. Allerdings fehlte und da das Geld für eine Vinylproduktion.
Aber es war cool, auf Band aufzunehmen. Ich mag auch die Arbeitsweise, das du es eben nicht so ohne weiteres bearbeiten kannst.
WK: Es gibt ja derzeit interessante Veröffentlichungen auf dem Gebiet. Wie etwa die des amerikanischen Labels 451, die eine ganz besondere Atmosphäre auf ihre One-Take-EPs bannen.
Dota: Das ist eben das coole, gezwungen zu sein mit der Konzentration aufzunehmen. Deswegen haben wir auch so viele Live-Alben gemacht. Es ist ein bisschen dem Zwang entzogen ganz perfekt zu sein, dem man sich manchmal bei Studioarbeiten ausgesetzt fühlt. Was eh Quatsch ist, weil etwas sowieso nie ganz perfekt sein wird. Es ist wichtig die Spannung zu haben, es eben nur jetzt mit diesen einen Take zu machen.
Auch bei dem aktuellen Album. Wir haben ohne Auto-Tune gearbeitet, und ich habe zu jedem Stück lediglich drei Gesangstakes gemacht und anschließen ausgewählt.
WK: Danke!
Die Krew stürmt den Raum um Essen zu fassen.
Aktuelle Besetzung: | |
Dota Kehr | Gesang, Gitarre |
Jan Rohrbach | E-Gitarre |
Leon Schurz | E-Bass |
Nicolai Ziel | Schlagzeug |