Am 19.September hatte ich das Vergnügen im Bielefelder Bunker Ulmenwall die East Cameron Folkcores live zu erleben. Zuvor setzte ich mich noch mit dem Sänger und Gitarristen Jesse Moore und Harp & Vocals Mann Blue Mongeon zusammen, um ein wenig mehr über die ECF zu erfahren.
Nachfolgend also das Ergebnis.
Viele Spaß beim lesen.
Wo liegt East Cameron?
Blue: East Cameron bezeichnet die Ecke, in der wir leben. Es sind gleich mehrere Bands in der Nachbarschaft, mit denen wir wie in einer Art eigenen Gemeinde zusammen Musik machen. Und da kam uns der Gedanke es East Cameron zu nennen. Das ist also keine offizielle Bezeichnung auf dem Stadtplan.
Jesse: „Wir nennen das so, weil unser Stadtteil in Austin östlich der Cameron Road liegt. Der Zusatz FolkCore entstammt einem Witz, den ich wohl irgendwie missverstanden habe.“ und lacht.
Ich frage noch mal nach der Community Geschichte:
Blue:„Ja, in etwa. Also fast jeder von uns spielt noch mindestens in ein oder zwei weiteren Bands mit. Und wir tauschen unsere Fähigkeiten aus, in dem der eine beim anderen schon mal in der Stagetechnik oder z.B. als Tontechniker einsteigt.“
Woher kommen die einzelnen Musiker, mit welchem musikalischen Background:
Blue: „ Ich versuche es mal. Wir sind so viele. Ich komme aus Boston/Massachussetts mit Wurzeln im Indie-Rock. Phil spielt zuvor viel Blues und Bluegrass. Mary Beth ist klassisch ausgebildete Cellistin und offen gegenüber allen möglichen Musikstilen.“
Jesse übernimmt: „Aufgewachsen in Connecticut hörte ich viel von der Musik die meine Eltern hörten. Also Janis Joplin, Bob Dylan, Woody Guthry oder auch Bruce Springsteen. Blue und ich, wir trafen uns in Boston. Meine Frau April, Sängerin der Band, war zuvor Tänzerin. Eric and Blake sind die einzigen unter uns, die in der Gegend hier aufwuchsen, also in Austin. Ihr Background ist der Punk. Kristian kommt vom Heavy Rock, und Aaron hat seine Wurzeln im Bereich des Progressiv Rock. Insgesamt besteht die Band aus 11 Leuten, von denen zur Zeit neun auf Tournee sind. Somit beinhaltet ECF ein Sammelsurium an unterschiedlichen Stilen.“
Hat sich die Instrumentenauswahl, die jeder Einzelne bei East Cameron FolkCore spielt, im Projekt verändert. Also spielt ihr heute in der Band andere Instrumente, als zuvor?
Jesse: „Ich denke die Wahl hängt eher davon ab, was man in der Nachbarschaft so mit bekommt, und welche Möglichkeiten man hat. Fast alle haben früher auch andere Instrumente gespielt: Trombone, Saxophone usw. In der Band gibt es natürlich Stücke, wo bestimmte Instrumente nicht so passen. Etwa Harmonika. Die kann nicht überall eingesetzt werden. Und da guckt man nach seinen Möglichkeiten, was in das Stück passen würde.Bestimmte Wechsel sind einfach denkbar. Etwa von der Gitarre zum Bass. So wechseln einige von uns immer wieder die Instrumente, und nehmen unterschiedliche Positionen im Song ein, um zu spielen was der jeweilige Song braucht.“
Ich bin immer wieder überrascht, über die vielen Punkte, an denen die Vergangenheit mit der Gegenwart überein stimmt. Vor allem jetzt, nach dem Wall-Street-Debakel. Wie sieht es für euch jetzt in den USA aus? Würdet ihr die Zeit heute mit der Zeit nach dem schwarzen Freitag, also die 20er, 30er Jahre, vergleichen?
Jesse: „Ich meine es ist gerade etwa zwei Wochen her das ein Papier heraus kam, das besagt, dass das oberste eine Prozent der heutigen Gesellschaft das größte Vermögen seit 1928 angehäuft hat. Das ist die größte soziale Ungleichheit seit 1948, so wie kurz vor der Great Depression. Aber das ist ja nicht nur in Amerika so, sondern überall auf der Welt. Fast das gleich Bild zeigt sich in Griechenland oder Spanien. D.h. Banken sind nicht länger daran beteiligt aus Geld Arbeit und Wohlstand für alle zu generieren. Statt dessen nehmen sie das Geld ihrer Kunden, ganz normaler Menschen, und spielen damit. Stecken es in irgendeinen vorgetäuschten Bullshit, der gar nicht existiert. Und irgendwann fällt so ein Kartenhaus eben in sich zusammen.“
Blue: „Man selber kann es sehen, denn fast jeder hat Geld verloren. Das Geld sitzt nicht mehr so locker und viel mehr müssen aus finanziellen Gründen ihr Umfeld aufgeben.“
Jesse: „Extremst! Das ist genau das, was in den 30ern passierte, nach dem das erste Kartenhaus der Banker zusammenbrach. Und das ist auch das Traurigste an der aktuellen Situation. Die Menschen haben versprochen bekommen mehr Gewinn zu erzielen, als es eigentlich möglich ist. Und viele sind darauf angesprungen.
In einer kürzlich gesehenen Dokumentation wurden zwei Kids gezeigt, die Monopoly miteinander spielten. Es ist das Ziel, das einer gewinnt. Und es war deutlich erkennbar, wie sich ihre Psyche im Verlauf des Spiels veränderte, ihr geäußertes Verhalten, je nachdem ob sie Verlierer oder Gewinner waren. Etwa in dem der vermeintliche Gewinner sobald sein Gegner strauchelte noch einen nachlegte, um ihn endgültig aus dem Rennen zu schicken. Eine ziemlich exakte Spiegelung unseres Systems.
Enttäuschend ist also am ehesten, dass die Menschen anscheinend nicht wirklich aus ihren Fehlern lernen.
Wie reagiert das Publikum in den USA auf euch und eure Texte?
Jesse: „In Austin…?!“
Blue: „…sind wir sehr erfolgreich. Sie singen fast jeden Text mit, .tanzen ab. Sogar einige Slam Dance sind dabei. Es ist wirklich großartig.“
Jesse: „ Für uns ist das hier auf jeden Fall eine völlig neue Erfahrung. Diese Art des Tourings mit dieser Freigebigkeit, so etwas haben wir nicht in den Staaten. Das hat sich für uns in den Staaten nie ergeben. Ein Label hinter sich zu haben, richtig auf Tour gehen zu können, mit allem was dazu gehört. Also Marketing und Promotion, Tische voller Früchte gleich wo wir hinkommen (lacht auf). All das ist sehr aufregend.
Meine Frage zu Erwartungen:
Blue: „Es ist die Hoffnung in der Lage zu sein sich wieder aufzuraffen, wieder hoch zu kommen. Um dann an irgendeinem Punkt, abhängig von der Arbeit die du geleistet hast, diese Dinge nicht mehr zu sehen. Ich sehe die Möglichkeit, das alles irgendwie in den Griff zu bekommen. Älter zu werden und klar zu kommen.“
Jesse: „Ja, dass kann ich so unterschreiben…“
Ob die Tour hier nicht ein wenig hart für sie sei, fast jeden Abend in einer anderen Stadt auf der Bühne zu stehen.
Blue: „Ich bin so froh jeden Tag spielen zu dürfen. Das ist großartig.“
Jesse: „ Ich meine, das ist es doch was wir wollen: Raus zu gehen um nach neuen Möglichkeiten zu suchen auftreten zu dürfen. Vor Publikum.“
Ist die Tour komplett vom Label übernommen worden?
Jesse: „Nein, teils teils. Einen Teil hat das Label übernommen, einen Teil haben wir dazu gegeben.“
Wieviele Alben liegen denn insgesamt vor?
Jesse: „Wenn du auf unsere BandCampPage gehst, also EastCameronFolkCore.bandcamp.com, findest du alle Alben. Vor „For Sale“ haben wir einen weiterer Longplayer und eine Mini-EP produziert.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Grand-Hotel-van-Cleef?
Jesse: „Wir hatten einige Auftritte im Rahmen des SXSW-Festivals in der Bungalow Bar. Reimer von GHvC war, nachdem er nicht in die Show von Frank Turner kam, auf der Suche nach einen Drink. Und gerade als wir unseren ersten Song anspielten, kam er ins Bungalow. Er hatte also keine Ahnung von dem was dort abging. Anschließend kam er auf mich zu und schüttelte mir die Hand, und wir gaben ihm eine unsere SXSW-Karte, auf der alle vier SXSW-Shows dieser Woche standen. Reimer kam zu jeder einzelnen Show. Zwei Wochen später fand ich eine E-Mail, in der stand sie würden gerne unsere Platte raus bringen, und was wir von einer Tour in Deutschland halten würden.
Nach gerade mal fünf Monaten Verhandlung, Planung und Vorbereitung sind wir jetzt hier.“
Gibt es Erwartungen von euch an diese Tour?
Blue: „Nein, ich bin ganz aufgeregt und wir freuen uns auf alles, was passieren wird. Zu sehen, wie das Publikum ist. Also, wir haben keine konkreten
Jesse: „Ja, so fühlen wir wohl alle im Moment. Für die meisten von uns ist es das erste Mal in einem anderen Land. Die Möglichkeit, hier Musik machen zu können, ist unglaublich. Ich denke für uns alle gilt, das Glas ist leer, und wir füllen es hier mit all unseren hier gemachten Abenteuern, Erfahrungen und angetroffenen Menschen. Was mich noch besonders anmacht sind die Reaktionen auf das Album, das ja schon ein politisches ist. D.h, es entwickeln sich diese Gespräche und ich habe Freude daran die Unterschiede herauszufinden. In diesem Sinne „Erwartungen“? Nein. Es ist eine großartige Erfahrung.Erwartungen. Wir lassen uns überraschen.
Blue: „Ich hoffe alle genießen es, und wir können wieder kommen.