Teil I
– Ein Vinylliner legt an – Kapitän Platte im Heimathaven –
Es kreist ja immer noch die Mär von der Stadt umher, die von sich behauptet nicht zu existieren. Und doch kennt sie so ziemlich jeder. Denn selbst am Arsch der Welt trifft man auf ihre Bewohner, die anscheinend einer recht reisefreudigen Spezies entstammen. Wer sie also kennt, der weiß auch wo sie liegt: Nämlich fast mitten im Teutoburger Wald. Wen wundert’s, dass in einer solchen Stadt nun auch noch ein international verkehrendes Unterhaltungsschiff anlegt.
Wie es dazu kam erklärte mir einer der drei Kapitäne beim diesjährigen Bordfest. Während draußen also das ungemütliche Herbstwetter sein Unwesen treibt, die Crew dabei ist den Tanzsaal herzurichten, sitze ich mit Kapitän Pietsch in der Kapitänsmesse um ein wenig zu schnacken.
Vor gut dreieinhalb Jahren fing alles an. Aus einer Bierlaune heraus, sagt Kapitän Pietsch.
Kapitän Pietsch: „Das Ganze hat sich wirklich sehr schnell verselbstständigt. Jetzt sind es 20 Alben die auf Kaptän Platte erschienen sind. „
WK: Hatte ihr irgendeine Stilvorstellung, als ihr das alles gestartet habt?
Kapitän Pietsch: „Nee, eigentlich nicht. Die Ursprungsidee war eigentlich, dass wir eher gedacht haben wir bringen nur Platten, die wir gerne auf Vinyl hätten, die es aber bisher nur auf CD gibt. Also mehr Retrospektiv.
Das war dann bei EF so, bei der ersten Band mit der wir ins Gespräch kamen, dass die gerade ihr neues Album herausbringen wollten. Da haben wir dann gesagt, es macht ja viel mehr Sinn das neue Album heraus zu bringen. Dadurch waren wir dann plötzlich mitten in der Produktion von aktuellen Platten.
Stilistisch sind wer jetzt nicht festgelegt, von wegen es geht nur in eine Richtung. Wenn man sich unsere Bands so anhört, dann ist da dadurch auch eine große Bandbreite entstanden. Wichtig ist, dass es uns gefällt.
WK: Wenn du von 3 ½ Jahren sprichst, dann seid ihr ja mitten in der Krise des Musikbusiness eingestiegen. Wie kommt man ausgerechnet in so einem Umfeld auf die Idee, so etwas durch zu ziehen?
Kapitän Pietsch: „Wie gesagt, es war ’ne Bierlaune. Ehrlich gesagt, von der Krise haben wir hier, in der Nische in der wir hier sind, nichts festgestellt. a) bringen wir fast nur Vinyl raus, und Vinyl ist am steigen. Es ist ja der einzige Tonträger mit steigenden Absatzzahlen in den letzten Jahren. Und b) machen wir CD und Downloads bisher fast gar nicht. Die Entwicklungen dort berühren uns also quasi nicht. Für uns läuft es eigentlich ganz gut.
WK: Zu welchen Kursen gehen die LPs bei euch raus?
Kapitän Pietsch: „Je nach Aufwand zwischen 12,- und 20,- Euro. Also ob es jetzt zum Beispiel eine Doppel-LP ist, oder ein Siebdruckcover zum Einsatz kommt usw. Wobei wir versuchen alles möglichst günstig zu halten, weil es halt auch Bands sind die nicht so viele Leute kennen. So werden die Leute auch nicht vom Verkaufspreis abgeschreckt, sondern sagen sich eher „12,-€ für eine LP? Den Künstler kenne ich zwar nicht, kann ich mir aber mal leisten“.
WK: Du sagst, dass ihr zu dritt seid. Über was für einen Background, musikalisch wie beruflich, verfügen die einzelnen Leute bei Kapitän Platte?
Kapitän Pietsch: „Musikalisch natürlich in sofern, das wir alle seit Jahren gerne zu Konzerten gehen und Platten sammeln. Aber einen beruflichen Background, der im Zusammenhang mit Musik steht, haben wir alle drei nicht. Kalle ist Designer, Tanne arbeitet in einer Event-Agentur und ich bin beim Kurierdienst angestellt. Von daher war sehr viel Learning by Doing angesagt.
WK: Das wiederum hört sich an, als könntet ihr nicht davon leben. Ist das dann eher so ein Zubrot…?
Kapitän Pietsch: „Es ist ein Hobby. Also, es trägt sich so langsam jetzt, so dass wir da nichts mehr zulegen müssen. Aber dadurch, dass es dann in Anführungszeichen wieder „nur“ Vinyl ist, haben wir steigende Absatzzahlen, aber eben nur auf sehr niedrigem Level. Es ist so nichts wovon man leben kann. Es sei denn, wir haben dann mal eine Band, die als die neuen Nirvana bekannt werden (lacht auf).
WK: Also Download macht ihr gar nicht?
Kapitän Pietsch: „Wir fangen da gerade mit an. Etwa in dem wir jetzt einen digitalen Vertrieb haben. Aber eben, weil wir das alles in kleinen Schritten nebenbei machen, entwickelt es sich etwas langsamer.“
WK: Wie viele Veröffentlichungen plant ihr in etwa übers Jahr verteilt?
Kapitän Pietsch: „Im Schnitt rechnen wir so alle zwei Monate mit einer Platte. Wobei sich das dann immer mal wieder häuft. Also mal drei Alben in einem Monat, und dafür dann ein halbes Jahr lang fast gar nicht.“
WK: Wo kommen die Bands her, die bei Kapitän Platte unter Vertrag sind? Ist das eher eine regionale Geschichte, aus dem Umland, oder auch überregional bis international?
Kapitän Pietsch: „Aus Bielefeld und Umgebung haben wir nur die VON DUESZ. Ansonsten, bedingt durch die EF’s, haben wir vier oder fünf Bands aus Schweden (etwa IMMANU EL, EF, BLUEBRIDGE THE QUARTET). Alle stammen aus Göteborg, wo wir untereinander weiter empfohlen wurden. Eine Band aus Island (LOCKERBIE), so wie weitere Bands aus Deutschland. Etwa INSTRUMENT aus München oder THE HIRSCH EFFEKT aus Hannover und natürlich ZINNSCHAUER und ADOLAR.
Das sind doch schon große Kreise.“
WK: Über welche Kanäle geht ihr, um die Platten in Umlauf zu bringen?
Kapitän Pietsch: „Zum einen sind wir bei Cargo Records, die sowohl die Bundesrepublik wie das angrenzende Ausland abdecken. Und dann läuft unheimlich viel über das Internet. Also unser eigener Shop oder aber so Sachen wie BandCamp.“
WK: Aber die Mehrzahl geht doch noch über Cargo?
Kapitän Pietsch: „Ja…Wir machen ja von jeder Platte so eine Art Pre-Version, die sich dann zum Beispiel durch spezielle Cover-Artworks oder coloured Vinyl von den regulären Pressungen unterscheidet. Hiervon gibt es in der Regel etwa 100 Stück. Die verkaufen wir nur über den eigenen Shop. Die davon erzielten Einnahmen bilden dann die Grundlage für die reguläre Produktion. Hier erleben wir dann auch, wie aufgrund der besonderen Pressungen jemand in Australien via Internet auf ein Label in Deutschland aufmerksam wird.“
WK: Versucht ihr einen bestimmten Form der Grafikkunst oder Gestaltungstechnik unterzubringen? Ich Frage, weil es einige Label gibt, deren Platten unter anderem von Sammlern wegen der besonderen Aufmachungen bestellt werden.
Kapitän Pietsch: „Ja, das versuchen wir auch. Aber alles in Absprache mit den Bands. Das heißt, wir sprechen den Bands nicht in ihre grafischen Vorstellungen rein. Es ist ja ihr Produkt und ihr Cover. Aber wenn wir dann die Covervorlage sehen, und sehen „O.K, da könnte man jetzt schön ein Siebdruck draus machen“, sprechen wir mit den Künstlern darüber.
Ein Beispiel ist die letzte Veröffentlichung von EF, wo wir die Idee hatten, ein sechsfaches Klappcover zu gestalten. Nachdem wir das der Band vorgestellt haben, die das super fanden, ging die Platte auch so in die Produktion.
Ich persönlich finde es wichtig über die gesamte Bandbreite von Möglichkeiten, also Musik, ArtWork und Print, Aufmerksamkeit zu erlangen.“
WK: Was erwartet uns denn hier auf dem Kapitän Platte-Festival? Ist das jetzt eine Art Präsentationsveranstaltung, oder eher eine Label-Feier um mit Kunden und Künstlern die Existenz zu feiern?
Kapitän Pietsch: „Sowohl als auch. Unser Anspruch war eben auch immer, nicht nur Platten raus zu bringen, sondern die Bands in die Stadt zu holen. So ein bisschen, um Kultur schaffend in der Stadt aktiv zu sein. Zumal wir versuchen jede Band einmal nach Bielefeld zu holen, die unter Vertrag ist. So entstand schnell der Gedanke, einmal einen ganzen Abend mit den Bands verbringen zu können, aber auch ein wenig zu feiern. Das machen wir jetzt zum 2. Mal.
Bis auf eine Band heute Abend sind alle bei uns unter Vertrag. JOASIHNO spielen, da der Schlagzeuger wiederum bei INSTRUMENT spielt. So passt das dann auch wieder da rein.
Ein bunte Abend, musikalisch. Von Singer/Songwriting über Punkrock zum Postrock.
WK: Da macht ja auch die von euch auf der SoundCloud geparkte Musik drauf aufmerksam und neugierig. Was ich allerdings witzig fand, war die Fortsetzung der Namensassoziation bis hin zu Labellogo und Websitegestaltung. Denn es irritiert ja vielleicht auch den einen oder anderen: Wasser, jetzt, so, in Bielefeld….
Kapitän Pietsch: „(lacht laut) Das ist die maritime Stadt in Ostwestfalen. Wir haben die Lutter. (lacht wieder). Nein, das hat sich einfach irgendwann aus der Namenswahl ergeben. Es war klar, wir nennen uns Kapitän Platte. Darauf hat Karl dann diesen Kapitän entworfen also Logo, und damit war klar, das wir damit noch spielen müssen. Es ist halt ein schöner Scherz.
WK: Kannst du noch mal alle aufzählen, die mit im Boot sitzen?
Kapitän Pietsch: „Der Kapitän ergibt sich aus den Anfangsbuchstaben aller Beteiligten. Karl Geweke für KA, Christian Pietsch für das PI und Tanja „Tännchen“ Schrammen für TÄN.
WK: Danke!