Es war um die Zeit der SCHWARZEN IV, entstanden in der Abgeschiedenheit des Nordens, genauer: Dem Sitz des letzten ‚Königs von Deutschland‘. Nachdem sich die TSS von Berlin nach Fresenhagen bewegt hatten, bauten Sie dieses Zeitlose und bis heute völlig unterbewertete Album. Was kaum jemand weiß ist, dass das eigene Studio vor Ort, gepaart mit dem Ambiente und dem umfassenden Raum für alle Anwesenden, auch Magnet für viele andere Bands der deutschsprachigen Szene war. Hier traf man sich, jammte und nahm das eine oder andere Stück auf. Manchmal entstanden geschichtsträchtige Alben, wie das vorliegende „Für Leute Die Schon Alles Haben“.
Es klingt, als paarte sich auf ihm die Rhythmusmaschine der FEHLFARBEN mit den Fricklern der damals noch gar nicht bekannten NACHLADER und der Stimme von IDEAL. Die Männliche, wohl bemerkt, die uns ‚Feuerzeug‘ schenkte. Sie prägt den Sound in ihrer lakonischen Vortragsart. Nicht auszuschließen, dass auch der eine oder andere NEUBAUTE(N) im Nachgang ertönt.
Festgehalten wurden Songs wie „Ich liege im Trend“, der an LAINGs „Morgens immer müde“ erinnert. Oder das unglaublich psychedelisch-rhythmisch treibende „Ein Bau aus Angst und Hoffnung“. Wie kommt man auf so ein geiles Teil, mit phänomenalen Piano Parts, wie wir sie schon aus den Anfängen der SCHERBEN-Zeit kennen. Und so geht es Schlag auf Schlag. Ideenreichtum, Berührendes, Bewegendes. „22“, ein schlichtes Gitarrenspiel trifft auf eine Art dauerhafte Frequenzstörung, ohne Worte.
Und dann kommt „Kleines Solo“. Ein Stück, das mir die Tränen in die Augen treibt. Was haben wir auf unserem Weg alles verloren, scheinen uns die Zeilen zu entgegnen. Es ist, als würde ein alter Freund diese Zeilen für dich spielen. Einer, der dich dein ganzes Leben über begleitet hat, und der jede Welle kennt, die dich in deinem Treiben je berührt und bewegt hat.
Bei jedem Durchgang erreichen andere Details das Ohr. Etwa der eröffnende Titelsong, mit fast schon indianischem Singsang, tribal-trance mäßig einstimmend, um zum Pow-Wow zu wechseln, der schließlich durch stakkatoartige E-Gitarren-Riffs aufgegriffen wird. Eben diese ersten Momente , die sich in einer Zeitschleife drängen, werden erst mit mehrmaligem Hören in ihrer Genialität verinnerlicht. So könnte ich alle 12 Songs durchdeklinieren.
„Für Leute Die Schon Alles Haben“ von MISSES NEXT MATCH erinnert, tröstet, lässt hoffen, lieben und rührt auf und an. Und es brennt sich ein, mit fast jedem Ton der aus den Schallwandlern quillt. Tief ein. Der Lebende Beweis für Klasse im Nach-Rio-Zeitstrahl. Eine Zeit, in der eine ehrliche Umarmung, ein offenes Wort und echte Gefühle fast schon ausgestorben schienen.
Danke an MICHAEL SPORMANN (Gesang/Gitarre), MANUEL SCHWIERS (Elektronik, Keyboards, Produktion) und DENNIS SCHNELLTING (Bass, Gitarre, E-Drums) von MISSES NEXT MATCH.