Sankt Otten – „Messias Maschine“

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Vor gut 30 Jahren rauschte eine Sendung über den Äther die den Namen Schwingungen trug. In regelmäßigen Abständen wurde hier der Zustand der elektronischen Musik widergespiegelt. Erst später veränderte sich das Bild, und eine deutliche Dominanz der deutschen Klassiker erhielt Einzug. Gepaart mit „früher war alles besser“ ließ so das Ende nicht lange auf sich warten.

In Folge verlor, wer nicht schon leidenschaftlicher Sammler war, den Überblick und schließlich gänzlich die Sicht auf die Szene. Auch wenn beim einen oder anderen im Zuge von Tekno und Loveparade die alte Liebe noch mal aufblitzte, einem regelrechten Aufleben glich es nicht. Im Gegenteil. Altes galt als Tod, und Techno & Co. waren die Nachfolger.

Erstmals wieder aufhorchen ließ mich seiner Zeit das Festival „Burg Herzberg“. Nicht nur das hier Recken wie Steve Hillage ihr Zeug auf die Bühne schleppten, nein, auch Angehörige der deutschen Klassiker wie Harald Großkopf mit seiner Band Sunya Beat ließen keinen Zweifel: Die Szene lebt. Den Beweis traten damals, auf besagtem Herzberg Festival, zudem neue Formationen wie Klangstrahler aus München an.

Vor einigen Monaten erreichte mich erneut ein Lebenszeichen in Form von „Kosmischer Läufer“. Ein Projekt, über Kickstarter finanziert, das uns in die Frühphase des deutschen Elektroniksounds zurückführen sollte. sankt otten shop kopf

Den Blick und die Ohren mal wieder geschärft, tauchte irgendwann Sankt Otten als Link auf. Ihr aktuelles Album gleicht einem ganzen Nest alter Hasen. Denn hier tauchen einige von denen wieder auf, die man schon im Ruhestand wähnte. Ganz weit vorne Jaki Liebezeit von CAN und natürlich Harald Großkopf aus dem Klaus Schulze Umfeld. Weitere Gäste sind Miles Brown, Ulrich Schmauss, Coley Duane Dennis, A.E.Parterra so wie Christoph Clöser.

Die „Messias Maschine“, so dass aktuelle Album von Sankt Otten, ist aber kein Durchlauferhitzer für Altlasten. Alles klingt frsich und unverbraucht, was Stephan Otten (Schlagzeug, Programming, Synthie) und Oliver Klemm (Gitarre, Bass, Synthie) hier zusammengetragen haben. Ohne die Wiederkehr altbekannter Sounds geht das natürlich nicht von statten. Ist mit unter sogar gewollt. Diese aber neu zu kombinieren, Spannungen und Bilder neu entstehen zu lassen, das ist allen Beteiligten gelungen. Ganz zu schweigen von Links, die noch viel weiter zurückreichen. Etwa wenn wir die Sounds einer Theremin hören, deren Grundlagen schon im 19.Jahrhundert gelegt wurden. sankt otten shopHier gespielt von Miles Brown, Theremin & Synthimusiker aus Australien, in „Mach bitte das es leiser wird“.

Was das Album aber noch viel interessanter macht, ist das Nebeneinander von völlig unterschiedlichen Herangehens- und Spielweisen. Etwas Jaki Liebezeit. Auf „Das Geräusch des Wartens“ läuft Jaki zur Bestform auf. Seine minimierten Figuren tragen dazu bei, das sich Erinnerungen an CAN mit dem Soundarrangements von Sankt Otten verweben. Dabei verliert er nicht einen Takt lang den Titel aus den Augen/Ohren.

Ganz anders Haral Großkopf. Er liebt es flächig und druckvoll aufzuspielen. Wer einmal ein Konzert von ihm sehen respektive hören durfte, weiss um seine programmierten Parts. Diese sind Teils so genial auf seinen E-Drums geparkt, dass man manchmal den Keyboarder für überbewertet hält. Hier zu hören auf „Wenn der Masterplan keiner ist“. Immer wieder horche ich auf, wenn der Track im Album anläuft. Er hat irgendwas besonderes, was ich aber nicht beschreiben/fassen kann.

Ähnliches ist bei den weiteren Gastmusikern zu beobachten. Alle prägen die entsprechenden Titel nach ihren Vorlieben. Etwa Ulrich Schmauss, dem Trance und Ambient verschrieben. Er verpasst „Im Himmel angekommen“ einen Schwebezustand, der so typisch für seine Vorlieben ist. Oder Christoph Clöser, Saxophonist von Bohren und der Club of Gore. Er zieht „Endlich ein schlechter Mensch“ so in den Keller, dass wir uns schon fast bei einer Bohren Aufzeichnung wähnen. Hervorragend.

Als von außen Betrachtender sind mir einige Namen gänzlich neu. Etwa der von A.E. Parterra, hier zu Gast auf „Nach dir die Sinnflut“. Er stammt aus den USA, ist ebenfalls Schlagwerker wie Stephan Otten, und elektronik Freak. Eines seiner eigenen Projekte ist die Space-Rock-Band Majeure. „Nach dir die Sinnflut“ hat eher was von Tangerine Dream und Floyd, ist also nicht in seiner eher zu erwartenden Art signiert. Auffallend ist da schon eher die im Rock liegende Betonung seines Spiels, womit wir auf weitere Verzweigungen seines Wirkens hingewiesen werden. Etwas bei Zombie oder Maserati.

Auch Coley Duane Dennis gehört zum Maserati Umfeld. Sein Job ist die Gitarre. Sein Beitrag findet sich auf „Messias Maschine“ in „Da kann selbst Gott nur staunen“. Fast ist man geneigt zu glauben, der Titel sei erst nachträglich vergeben worden. Denn auch ohne den Titel zu kennen, beschlich mich eine ähnliche Idee. Dennis maschiert hier mit einer Zielstrebigkeit durch das elektrifizierte Gitarrenuniversum, das es nur so eine Freude ist. Mit schönen Grüßen an Ashra und Rother, möchte man fast rufen. Mit einem kleinen Tupfer Gilmour.

„Messisa Maschine“ ist somit mehr als eine bloße Zeitreise durch die Stadien der elektronischen Musik. Es ist Lebenszeichen gleich in mehrfacher Hinsicht. Eines für die erwähnten Gastmusiker aus alten Tagen und eines der elektronischen Musik an sich. Nutzt man die vorgegebenen Bezüge und hangelt sich durch das Netz-der-Netze, so bekommt man eine Ahnung. Aber das ist nur die Wahrnehmung eines Außenstehenden. Für alle anderen hat die Szene nie aufgehört zu leben.

Einiges um Sankt Otten und die Entstehungsgeschichte des Albums „Messias Maschine“ habe ich versucht in Erfahrung zu bringen. In einer Art Ferninterview mit Stephan Otten.





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