Sind wir erst einmal auf der untersten Sohle unserer Seelenarbeit angekommen, kann es auch nicht schaden mal SOLEY mit ihrer „Kromantik“ einzuladen. Ihr Sound ist ebenso weltentrückt und verstörend wie schön. Das letzte Stück im Saal der untergehenden Titanic, Klänge aus dem Kerker irgendeiner gefangenen Seele, oder doch nur der Soundtrack zu einem modernen Stummfilm, der sepiafarben von der zerfetzten Leinwand tropft. Man weiß es nicht.
Die Stimmung ist die bester Gothik-Alben a la „Das Ich“ oder „Goethes Erben“. Und während sich mancher bei deren Songs ein früheres Ende gewünscht hat, keimt bei SOLEYs Musik der Wunsch nach Wiederholung oder zumindest Verlängerung.
„Kromantik“ liefert uns nämlich an sich eher Fragmente, Körnchen. Ein wenig wie aus Zeiten, wo die Tonkonserve noch kostbar in Einzelanfertigung zu bespielen und selten zu erwerben war. Wer das so unterschreiben kann, liegt tatsächlich nicht falsch. Denn zum Teil entstammen die zumeist gut zweiminütigen Takes größeren, früheren Kompositionen. Erst im Nachhinein fiel ihr auf, wie perfekt die eingestreuten Klaviersolos für sich stehen.
Einen guten Humus für solcher Art fragiler Gebilde bietet Sóley Stefánsdóttir vulkanische Heimat Island. Schließlich ist sie nicht die erste Künstlerin, die mit überragender Klang- und Tonmalerei auf diese kleine Insel aufmerksam machte.
Die Grundlage für die hier versammelten acht Einzeltitel entstanden während Stefánsdóttirs Studium. Wobei sie die meisten Kompositionen extra für das vorliegende Album „Kromantik“ schrieb, lediglich auf vorangegangene Ideen basierend.
Am ehesten könnte man den Sound als verstimmt bezeichnen. Anders kann ihr Instrument auch als „wohltempariertes Klavier“ bezeichnet werden. Meine erste Begegnung mit dieser besonderen Stimmung hatte ich dank Amiata Records Anfang der 90er. Hier erschien Terry Ryleys Album „The Padova Concert“. Zurückzuführen ist die Art der Stimmung lt. Wiki auf Johann Sebastian Bach.
Ruhig ernst nehmen darf man Sóley Stefánsdóttirs Tipp bezüglich des richtigen Augenblicks, wenn es um Hörgenuss geht:
„Man sollte die Lieder auf einem Sessel im Wohnzimmer sitzend, nachts, wenn es draußen kalt und regnerisch ist, hören. Wenn Sie mögen, bewegen Sie sich zu den Tönen. Stellen Sie sich ein leicht verstimmtes Klavier in einer Ecke vor. Dann denken sie an alte Hände. Diese alten Hände haben eine Geschichte zu erzählen. Diese Hände sind etwas unwirklich, aber wenn man nur der Musik lauscht ist es schwer zu sagen, ob sie real sind. Diese Hände spielen „Krómantík“ und Ihre geschlossenen Augen werden langsam etwas viel tieferes und dunkleres sehen.“