In meiner Kindheit stand Jodeln immer für eine Art rosa Brille, durch die ein verklärter Blick auf so etwas wie Heimat ruhte. Nachdem einem Blick in das informative Booklet zu dieser CD wird diese Einschätzung bestätigt und wiederlegt zugleich.
Denn ein Land in dem das Jodeln wirklich eine Interessante Rolle spielte ist Amerika. Hier liefen die Menschen aus aller Welt in großer Zahl zusammen, um einen Neuanfang zu finden. Und um in der Fremde nicht ganz so verloren zu sein gründeten die Einwanderer eigenen Communitys, die vom besiedelten Häuserblock bis zum kleinen Dorf jede Dimension annehmen konnten. In diesen abgeschlossenen Gemeinschaften ließen sie die alten Lieder und Bräuche wieder aufleben, versuchten die Bande zur Heimat nicht ganz zu kappen.
„In diesem Gewühl der Rassen und Nationalitäten, im Gewirr von Sitten und Gebräuchen, Dialekten und Sprachen, wo Aversionen und Ressentiments blühten, war Verständigung ein fortwährendes Problem. Da mußte ein Vokalruf wie das Jodeln, der ohne Worte und semantische Bedeutung auskam, wie ein Magnet wirken. Für Menschen unterschiedlicher Herkunft konnte er zum kleinsten gemeinsamen Nenner werden, der ethnische Grenzen übersprang und alle miteinander verband.“ (Christoph Wagner)
Jodeln, das „unartikulierte Singen aus der Gurgel“, so erfuhr ich bei meinen Reisen durch die Weltmusik, ist gar keine rein alpenländische Angelegenheit. An vielen Orten der Erde wird Jodeln in unterschiedlichster Weise eingesetzt. Die einen nutzen es auf der Jagd zum aufscheuchen der Beute, andere treiben ihre Herden so zusammen. Aber auch gegensätzliche Gefühle wie großer Freude oder tiefe Trauer, z.B. über den Verlust eines nahen Verwandten, werden in manchen Ländern über eine Art des Jodelns zum Ausdruck gebracht.
Trotzdem stellt diese CD eine Expedition in eine andere Welt dar, auch wenn uns ihre Grundlage bisher so vertraut schien.