Es gibt Veröffentlichungen von ellipsis arts, bei denen sich die Frage stellt, ging es jetzt um das Buch oder die Platten. Ein solcher Grenzfall ist auch „Voices Of Forgotten Worlds„. Um dieses auf gerade einmal zwei CDs gepresste Werk in Worte zu Fassen, brauchte es eigens ein Buch.
Das kleine „audio-visuelle“ Kunstwerk von Jeffrey Charno (Projekt Direktor), Book Wentz (Musikzusammenstellung), Bonnie B. Butler (Design) & Larry Blumenfeld (Editor) setzt sich wohltuend von anderen Publikationen dieses Genres ab. Es bildet eine Einheit, bei der beide Teile, CD + Buch, auf einem sehr hohen Niveau anzusiedeln sind.
Angenehm ist auch die Bescheidenheit, mit der dieses Projekt geführt wurde. So wird beispielsweise extra mit dem sonst oft gebrauchten Anspruch auf Einmaligkeit gebrochen, und auf die Unvollständigkeit einer solchen Arbeit hingewiesen. Es ginge ihnen „nur“ darum, einen Eindruck von der Mannigfaltigkeit der Kulturen dieser Welt zu vermitteln. Ohne Frage, das ist den Beteiligten durchaus gelungen.
Nicht Mainstream-Folk, sondern Songs im ursprünglichen Gewand sind Bestandteil der Sammlung. Jeder Titel ist akribisch im Booklet aufgeführt, so dass jederzeit auf den Longplayer zurückgegriffen werden kann, soweit dieser in Europa erhältlich ist.
Wer nun vermutet die meisten Aufnahmen entstammten der Mottenkiste, der irrt gewaltig. Eine recht große Anzahl der Titel ist erst nach 1990 aufgenommen worden, und unterstreicht einmal mehr, wie lebendig die von oder vor uns zu schützenden Völker sind.
Wie der Name der Box schon vermuten lässt, sind zumeist Vokalstücke auf der Doppel-CD zu finden. Die Magie, die Einzigartigkeit und Schönheit der einzelnen Beiträge vermag ich nicht in Worte zu fassen. Schon die erste Nummer, ein Beitrag der Tuvan aus Süd-Sibirien, ist phantastische Sangeskunst. Durch eine besondere Variante des Obertongesanges ist ein eineinzelner Sänger in der Lage, mehrere Melodien zugleich zu erzeugen. Diese Kunst des Gesanges wird von den Tuvas so unglaublich beherrscht, das man stellenweise Instrumente wahrzunehmen glaubt. Das am häufigsten verwendete Begleitinstrumente, eine Art Laute, wird durch ein für Zentralasien typisches Streichinstrument unterstützt .
Während uns die Musik übers Ohr ins Herz gehen soll, um unser Verständnis für komplexere Zusammenhänge zu öffnen, geht das dazugehörige Buch noch einen Schritt weiter. Im Vorwort von Julian Burger, die Mitglied im United Nations Centre for Human Rights ist, wird deutlich auf die Notwendigkeit verwiesen, die Urvölker als Wegweiser in die Zukunft zu erkennen. Dennoch, es geht nicht um eine Form des Belehrens. Wie David Lewiston im zweiten Teil des Vorworts betont, hoffen die Beteiligten auf die Weitergabe der Freude, die in der Zusammenstellung dieser Compilation steckt.
Er geht unter anderem auf den Begriff der world music ein. Es ist eben nicht Folklore was uns da verkauft wird, sonder eine Synthese aus populärmusikalischen Elementen, versetzt mit volkstümlichen und folkloristischen Facetten. Die korrekte Bezeichnung muss daher eigentlich World Beat lauten.
Auf über 90 großformatigen Seiten (DIN A 4) finden sich ausführliche Erläuterungen zu den einzelnen Titeln. Meist leiten alte Weisheiten die Kulturberichte ein. Abseits der großen Verkaufsstrategien geht man auch hier eigene Wege, indem nicht auf hohe Würdenträger zurückgegriffen wird, sondern eher „einfache“ Menschen zu Wort kommen.
Zu guter Letzt noch ein Hinweis zum Buch, dem ich auch fast alle auf dieser Seite eingesetzten Bilder entnommen habe. An allen Orten ist die Rede von Multimedia und Electronic Publishing. Wer dieses Buch in den Fingern hält, der weiß warum das Buch als Medium nicht aussterben wird, sondern nur durch neue Techniken ergänzt werden wird. Angefangen beim Schrifttyp und Papier, über die Seitengestaltung, bis hin zum verwendeten Bildmaterial, bekommt man ein in sich schlüssiges Druckwerk an die Hand.
Ein weiterer Meilenstein für jeden Folk- und Welt-Beat Fan, und sicherlich zu schade fürs Regal.
Wer im übrigen die ausladenden Werke eines Mickey Hart kennt, der sich großer Verdienste um die Bewahrung des berühmten Folkways Records-Archives rühmen darf, der wird hiervon begeistert sein.